Gerhard Altenbourg, Johann Belz, Fredo Bley, Irene Bösch, Hans Brockhage, Carlfriedrich Claus, Hans Detlefsen, Fritz Diedering, Robert Diedrichs, Karl Clauss Dietel, Manfred Gottschall, Heinz Heger, Karl Heinz Jakob, Klaus Matthäi, Dieter Netzker, Joachim Rieß, Harry Scheuner, Heinz Schumann, Harald Stephan, Christine Stephan-Brosch, Carl-Heinz Westenburger
Ausstellungseröffnung am Dienstag, 23. Januar 2024, 19.30 Uhr
Einführung: Alexander Stoll, Kurator
Nach dem Blick auf die künstlerische Dynamik der ersten Nachkriegsjahre in der Ausstellung „Generation im Schatten“ (2018) fokussiert die Präsentation den Blick auf die folgenden Jahre des großen Aufschwungs. Für die ganze heute so bezeichnete Region Südwestsachsen zwischen Freiberg, Zwickau, Plauen und Annaberg bildete Chemnitz, bzw. in jenen Jahren Karl-Marx-Stadt, das natürliche Zentrum und wichtigen Bezugspunkt künstlerischer Aktivitäten. Unser Beobachtungszeitraum beginnt 1959 und endet mit der Gründung der Künstlergenossenschaft Galerie oben in Chemnitz im Jahre 1973. Mit ihr begann eine neue Generation Künstlerinnen und Künstler massiv auf den Plan zu treten und eine neue Zeit einzuläuten. Der Wandel in der DDR und im Karl-Marx-Stadt der 1960er Jahre machte überdeutlich, dass auch die Kunstentwicklung von der allgemeinen wirtschaftlichen Dynamik und den gesamtgesellschaftlichen Bedingungen nicht unabhängig zu sehen ist.
Einerseits erlebt die Region Chemnitz in jenen Jahren einen unerhörten Aufschwung mit der Gründung großer Fabrikationsanlagen in den wichtigen Industriebereichen Chemie, Automobilbau, Maschinenbau und in der Technologieentwicklung. Andererseits zementieren sich mit dem Mauerbau gleich zu Beginn des Jahrzehnts Tendenzen zur Abschottung und zum fehlenden Austausch mit den Entwicklungszentren der Welt auch in der Kunst. Das Fehlen einer Kunsthochschule in der Region tat ihr übriges.
Im Rückblick zeichnet sich ein interessantes Bild ab: die freien Künste in Chemnitz und Region erhalten in den 1960er Jahren wenig neue Impulse. Vereinzelt leuchten originelle Köpfe auf. Es entstand, verglichen mit den 50er Jahren, eine relative Leere neuer Kräfte, in die sich erst Mitte der 70er Jahre die Künstlergruppe Clara Mosch mit ihrer bezaubernden Leichtigkeit erfolgreich positionierte. Zwei herausragende junge Künstler jener Jahre, Carlfriedrich Claus und Gerhard Altenbourg, lösten sich gleich mit ihren ersten Schritten aus den regionalen Bezügen und suchten internationale Kontakte und Austausch trotz aller Erschwernisse. Insbesondere Claus entfaltete ein experimentelles Werk, das auf der Basis einer klaren philosophischen Position nach neuen Pfaden freien Ausdrucks suchte. Er war auch der einzige Künstler, in dessen Werk zeitnah die aktuellen Entwicklungen des Weltgeschehens reflektiert wurden: die Revolten von 1968 im Westen, der Prager Frühling, die kolonialen Befreiungskriege und in der Kunst das Aufblühen von Pop Art und Fluxus. Allerdings integrierte er diese Impulse in sein größer gedachtes geschichtsphilosophisches Konzept. Das Werk von Claus und Altenbourg nimmt einen Verlauf, der sich nicht mit den regional orientierten, zumeist der expressiv-realistischen Bildtradition der 20er Jahre verhafteten Künstlern berührt. Hier finden sich einzelne hochsensible Talente wie Karl Heinz Jakob und Carl-Heinz Westenburger.
Frauen haben in jenen Jahren fast keine Rolle im künstlerischen Prozess der Region gespielt. Sie drängen erst in den 1970er Jahren verstärkt in die Kunsthochschulen des Ostens und von dort nach Südwestsachsen. Lediglich die Fotografin Christine Stephan-Brosch konnte mit Porträtfotografien der Künstler Anerkennung erlangen. Die Malerin Irene Bösch unternahm Ende der 60er Jahre erste Schritte und wurde rasch überregional wahrgenommen.
Auf der anderen Seite brachte der wirtschaftliche Aufschwung der Region zwei bisher wenig beachteten künstlerischen Sparten erhebliche Dynamik: dem Industriedesign und der angewandten Kunst. Clauss Dietel wirkte erfolgreich im Fahrzeugdesign und bei der Radioentwicklung. Hans Brockhage entwickelte neben seinen Kunst am Bau-Arbeiten erfolgreich Spielzeug und Alltagsgerät.
Das Arbeitskollektiv Gottschall Detlefsen Rieß (GDR) und der allein arbeitende Harry Scheuner wurden äußerst erfolgreiche Briefmarkengestalter der DDR und konnten sich auch später unter den neuen Bedingungen der Nachwendezeit in der Bundesrepublik durchsetzen.
Der Typograph und Kalligraph Heinz Schumann wirkte, durch die Nähe zu Albert Kapr und der Leipziger Schule, bereits in den 1960er Jahren international in Schriftgestaltungsfragen. Er entwarf mehrere Drucktypen und wurde schnell der wichtigste Kalligraph des Landes.
Im Bereich der Kunst am Bau arbeiteten die wenigen herausragenden Bildhauer der Zeit Johannes Belz und Harald Stephan an zahlreichen Aufträgen. Belz‘ Klapperbrunnen gilt bis heute als ungebrochenes Identifikationssymbol der Chemnitzer Bevölkerung.
Katalog zur Ausstellung224 Seiten, ca. 200 Abbildungen, Hardcover, gebunden, 27 x 19 cm
ISBN 978-3-937176-45-1
Preis: 29 €
Plakate A1 im hochaufgelöstem Digitaldruck
Begleitprogramm
Sa, 27. Januar ab 15 Uhr
Kunsthüttenfest
Di, 6. Februar 19 Uhr Filme der DEFA
Das Kaninchen bin ich, 1965, Regie: Kurt Maetzig
So, 3. März 11 Uhr öffentliche Führung
Duoführung Alexander Stoll und Harry Scheuner
So, 3. März 14 Uhr Kunst in Familie
Schwarze Linien und leuchtende Farben
Di, 12. März 19 Uhr Vortrag/Gespräch
Aufgewachsen in Karl-Marx-Stadt
Uwe Fiedler, Leiter Schloßbergmuseum
Di, 19. März 19 Uhr Filme der DEFA
Der geteilte Himmel, 1964, Regie: Konrad Wolf
nach dem Roman von Christa Wolf (1963)
Di, 26. März 19 Uhr Vortrag
Das „Kahlschlagplenum“ des ZK der SED 1965
und seine Folgen für das Kino
Di, 9. April 19 Uhr Lesung
Formation Ent_Rüstet liest Texte aus den 1960er Jahren
von Reiner Kunze, Christa Wolf, Günter Kunert, Irmtraud Morgner
Johannes Bobrowski, Wolf Biermann, Sarah Kirsch, Peter Hacks u.a.
So, 14. April 11 Uhr öffentliche Führung
Mathias Lindner, Direktor NSG
So, 14. April 14 Uhr Kunst in Familie
Mit Don Quichotte und Till Eulenspiegel unterwegs
Di, 16. April 19 Uhr Filme der DEFA
Spur der Steine, 1966, Regie: Frank Beyer
Sa, 4. Mai 18 - 1 Uhr
23. Chemnitzer Museumsnacht
immer dienstags 17 Uhr Öffentliche Führung
Museumspädagogik
Farben und Formen der 60er Jahre
ab Kl. 7
Vom Schwarzen Peter und anderen Gestalten
Spielkarten mal anders
Vorschule bis Kl. 4
Pressemitteilung
mediale Reaktionern
MDR KULTUR
DDR-Kunstgeschichte: Neue Ausstellung in Chemnitz
über die Kunstszene der 60er
FREIE PRESSE
Das langsame Lösen vom Leim
Carlfriedrich Claus, Gerhard Altenbourg, Irene Bösch, Karl claus Dietel: Sie gehörten mit zu den Lichtblicken in den künstlerisch schwierigen 60er-Jahren der DDR.
Eine Ausstellung in der Neuen Sächsischen Galerie erzählt nun von dieser Zeit.
25.1.2024 Kultur & Service: Besprechung Katharina Leuoth
Quelle: Freie Presse